Überblick über die Erbrechtsrevision
Die Revision räumt den Erblassern eine grössere Freiheit in der Gestaltung ihres Nachlasses ein. Gerne geben wir Ihnen nachfolgend einen kurzen Überblick über die wichtigsten Änderungen:
1. Aufhebung bzw. Reduktion der Pflichtteile
Pflichtteile sind Bruchteile des gesetzlichen Erbteils, die gewissen Erben von Gesetzes wegen zustehen und die ihnen vom Erblasser nicht entzogen werden können. Durch das revidierte Erbrecht werden die Pflichtteile der Eltern ganz abgeschafft und jene der Nachkommen reduzieren sich von aktuell 3/4 des gesetzlichen Erbanspruchs auf 1/2. Die Pflichtteilsquote der Ehegatten bzw. eingetragenen Partner bleibt unverändert.
Pflichtteilsgeschützte Personen sind unter neuem Recht somit die Nachkommen und der Ehegatte bzw. eingetragene Partner mit je einem Pflichtteil von 1/2 der gesetzlichen Erbquote.
Durch die Gesetzesrevision erhält der Erblasser bei der Nachlassplanung mehr Freiheiten und kann künftig flexibler über seinen Nachlass verfügen
2. Erhöhung der verfügbaren Quote bei Nutzniessung
Unter geltendem Recht kann der Erblasser den überlebenden Ehegatten begünstigen, indem er ihm maximal 1/4 des Nachlasses zu Eigentum und 3/4 des Nachlasses (die zu Eigentum an die gemeinsamen Nachkommen gehen) zur Nutzniessung zuweist. Als Folge der Reduktion der Pflichtteile der Nachkommen kann der Erblasser dem überlebenden Ehegatten neu bis zu 1/2 des Nachlasses zu Eigentum zuweisen.
3. «Schenkungsverbot» nach Abschluss eines Erbvertrages
Nach dem bisherigen Recht konnte der Erblasser auch nach Abschluss eines Erbvertrags grundsätzlich frei Schenkungen ausrichten, sofern der Erbvertrag nicht das Gegenteil vorsah. Nach revidiertem Recht dürfen dagegen nach Abschluss eines Erbvertrags grundsätzlich keine Schenkungen mehr ausgerichtet werden, ausser der Erbvertrag sieht das Gegenteil vor. Die heute geltende grundsätzliche Schenkungsfreiheit nach Abschluss eines Erbvertrags wird somit im künftigen Recht tendenziell zu einem grundsätzlichen Schenkungsverbot.
4. Verlust Pflichtteilsanspruch während eines Scheidungsverfahrens
Nach geltendem Recht fällt das Erb- und Pflichtteilsrecht des Ehegatten bei sich in der Scheidung befindenden Ehegatten erst mit formell rechtskräftigem Scheidungsurteil dahin.
Das revidierte Recht sieht neu vor, dass jeder Ehegatte grundsätzlich mit der Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens seinen Pflichtteilsanspruch verliert. Die neue Regelung gibt einem Erblasser somit künftig die Möglichkeit, den Ehegatten bereits während eines laufenden Scheidungsverfahrens vollständig von der Erbfolge auszuschliessen. Der Ausschluss gilt jedoch nicht automatisch, sondern es muss hierfür ein Testament errichtet werden.
5. Gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a)
Im heutigen Recht gibt es insbesondere im Bereich der Banklösungen viele Streitfragen, die mit den revidierten Regelungen geklärt werden. Sämtliche Leistungen der gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a) fallen nicht in den Nachlass und der begünstigten Person steht ein selbständiger und direkter Anspruch gegen die Vorsorgeeinrichtung zu. Die Leistungen aus der Säule 3a sind jedoch relevant für die Berechnung der Pflichtteile. Bei dieser Berechnung werden die Ansprüche aus der Säule 3a somit zum Nachlass hinzugerechnet.
Besteht Handlungsbedarf?
Die neuen Bestimmungen gelten für alle Todesfälle nach dem 1. Januar 2023 und finden folglich auch auf bereits früher errichtete Testamente oder abgeschlossene Erbverträge Anwendung. Wir empfehlen Ihnen deshalb, bestehende Verfügungen von Todes wegen auf ihre Aktualität und Klarheit hin zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen.
Der vorliegende Beitrag hat informativen Zweck und kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen im Hinblick auf das revidierte Erbrecht zur Verfügung und prüfen mit Ihnen, ob in Ihrem Fall Regelungsbedarf besteht.